Ein wirrer Blogeintrag zum Comeback des miesen, fiesen Schalentieres

 

 

 

 

 

Welttag des Buches und Welttag des Bieres.

 

Und da ich heute aus dem Krankenhaus nach Hause konnte auch Hermanns Welttag.

 

Leider gibt es da allerdings erstmal weniger zu feiern.

 

 

 

Welttag des Buches:

 

Welche soll ich da empfehlen?

 

Die sechs, die ich geschrieben habe?

 

„Wenn ich James Stewart gewesen wäre“ von Robsie Richter. Ein Gedichtband, der mich momentan begeistert und umhaut?

 

Alles von Kersten Flenter, Urs Böke, Jerk Götterwind, Lytfiye Güzel, Sybille Lengauer, Christoph Kleinhubbert, Susann Klossek, Florian Günther, Hardy Krüger … und all den anderen Held*innen der Verse und Worte?

 

John Steinbeck? Immer wieder!

 

Ich könnte jetzt zig Seiten füllen. Höre also lieber auf.

 

 

 

Welttag des Bieres:

 

Novaminsulfon ist momentan mein Lieblingsbier.
Ach so: Ist ja gar keins!
Deshalb auch immer nur 40 Tropfen.
Und dann leg ich mich schlafen und beginne den Abend mit Stauder aus Essen und Prost auf Urs.

 

 

 

18.30 Uhr.
Ich muss wieder aufstehen, obwohl ich es in den Armen meiner Frau genossen habe.
Mir tuen alle Knochen weh und ich huste Schleim ab (was ein gutes Zeichen ist).
Jetzt also Stauder und dabei Bayern München – BVB Dortmund.
Angebliches Spitzenspiel, in dem es nur um die Ehre geht.
Ich gönne den Bayern immer eine Niederlage (außer gg RedBull, die hasse ich nämlich noch mehr!).
Aber wichtige Spiele und alle Auftritte um die Ehre haben die Dortmunder diese Saison verkackt.
We will see…

 

 

 

Muss auch mal sein:

 

Großes Lob ans St. Elisabeth-Hospital in Bochum!

 

Vielleicht hate ich ja nur Glück, aber die Ärzt*innen, Pfleger*innen, Putzkräfte, Verwaltungsangestellte, überhaupt alle im Haus waren auffallend nett, sorgsam und fürsorglich!

 

Selten (eigentlich nie) fühlte ich mich rumdum so gut betreut wie dort!

 

Das hatte alles eine angenehme Old School – Atmosphäre: Nicht überall Computer und Tablets, sondern handschriftliche Notizen und wahrhaftig Gespräche. Und bei der CT-Auswertung bat mich die Anästhesistin zum Computer und erkläre mir das Bild. Und die Pfleger*innen und Ärzt*innen stellten sich mit Namen vor!
Selbstverständlichkeiten, die heutzutage nicht mehr selbstverständlich sind.
Die mieseste Raucherecke und das Fehlen eines Getränkeautomaten konnte ich da locker wegstecken.
Sollte es auf weitere Operationen im HNO-Bereich hinauslaufen werde ich nach Möglichkeit immer die 120 Kilometer in Kauf nehmen und mich dort behandeln lassen!

 

 

 

Nur eine Sache, die leicht nervt und die ich schon öfter erleben musste:

 

Warum wird meine Frau immer für meine Tochter gehalten?!

 

Wir sind doch nur ein Jahr auseinander!

 

Wenn wir den Fehler korrigieren, entsteht oft ein peinlicher Moment. Ich überspiele den mit Witzen, das Männer ja oft auf junge Frauen stehen oder sage, dass ich sie (im Gegensatz zu mir selbst) eben gut gepflegt habe.

 

Okay. Ich bin durch meine erste heftige Krebserkrankung vorgealtert. Und Claudia ist einfach eine schöne Frau, die durch ihre Liebenswürdigkeit besticht.

 

Bin ich stolz auf meine Frau?

 

Ich bin stolz auf Claudia und freue mich für sie und freue mich, dass sie mich liebt. Und ich liebe sie.

 

Aber ich bin nicht stolz auf meine Frau. Denn das ist sie, die so ist. Unabhängig, ob sie meine Frau ist.

 

Ich bin dann eher stolz auf mich. Dass ich vor zwölfeinhalb Jahren den Mut hatte, sie zu heiraten.
Sie ist mein Leben (auch wenn sie tierisch nerven kann!) und ohne sie würde ich wahrscheinlich nicht mehr leben!

 

 

 

Halbzeit. Bayern führt 2:0. War ja klar.

 

Das erste Bier schmeckt nicht. Ich habe dieses Jahr fast kein Bier getrunken und muss mich erst wieder dran gewöhnen.

 

Obwohl: Will ich ja nicht.

 

Bier wird überbewertet (und das am Welttag des deutschen Bieres!) und sollte mit Vorsicht genossen werden. Und ich war dieses Jahr vorsichtig (Tendenz geht gegen Null. Früher konnte ich einen Tag im Kalender anstreichen, wenn ich kein Bier getrunken habe, mittlerweile ist es umgekehrt. Das soll so bleiben.) und werde es ab Montag wieder sein.

 

Ich öffne die zweite Flasche.

 

 

 

Ich habe mich in meinen Büchern und in meinem Blog immer sehr weit geöffnet und werde das weiterhin tun.
Oder meine Finger stillhalten.
Anders kann ich nicht.

 

Jetzt erlebe ich wieder einmal eine neue Situation.
Macht es Sinn, euch da dran teilnehmen zu lassen?
Was bringt das?
Was will ich erreichen?

 

Ich habe keine Ahnung.
Werde aber einfach weitermachen und drauf scheißen.
Oder so.

 

 

 

Die neue Situation:

 

Der Krebs ist wieder da.

 

Seit fünfzehn Jahren hatte ich immer dieses Damoklesschwert über mir hängen. Mein Plattenepithelkarzinom im Oberkiefer war groß, die OP damals ein Balance-Akt, bei dem ich schon hinüber war (seitdem habe ich keine Angst vor dem Tod) und meine prognostizierte Lebenserwartung gering.
Aber hey! 15 Jahre! Und die meisten davon waren toll!

 

Mittlerweile bin ich müde.

 

Meine Artikulationsprobleme und meine Probleme beim Essen wurden immer stärker. Meine Schmerzen sind chronisch. Und eigentlich hänge ich die letzten zwei Jahre eher durch, aber das liegt auch an der Corona-Pest und den allgemeinen und persönlichen Umständen.

 

Vor einem halben Jahr habe ich noch gesagt, dass es reicht.

 

Trotzdem war ich jetzt zweimal in Krankenhäusern und bin offen für weitere Therapien.

 

Ja. Ich bin müde. Aber ich bin noch nicht ausgeknocked.

 

Es geht weiter.

 

 

 

Es klingelt an der Tür.
Eine liebe Nachbarin, die sich auch mit um unsere Schwiegermutter kümmert, überreicht mir eine Blume, eine Pralinenschachtel und eine liebe Karte und will mich wieder zu Hause begrüßen.

 

Ich bin gerührt, habe einen Kloß im Hals, sage trotzdem: „Ja, es ist wieder Krebs.“. Und sie: „Halt durch. Du schaffst das.“

 

Ich finde keine Worte, nehme mir wieder mal vor, ihre Familie einfach mal zum Grillen einzuladen, scheiß auf alles andere drum herum.

 

Ihre Anteilnahme tut einfach gut.

 

 

 

Unsere Hunde drehten die letzten Tage durch.

 

Beide machten aus Protest auch in der Wohnung und Claudia hatte viel Stress.

 

Sie merkten, dass etwas nicht stimmte. Und der alte Aron vermisste mich tierisch (HaHa). Jetzt bin ich wieder da und er weicht mir nicht von der Seite, begleitet mich zur Toilette und wird langsam ruhiger. Die junge Nora dreht langsam auf und freut sich einfach nur.

 

Noch zwei Tage, dann ist da wieder Normalität, auch wenn die Hundespaziergänge erstmal nur von Claudia gemacht werden.

 

 

 

Bayern hat gewonnen und ist Deutscher Meister.

 

Wen juckt es…

 

Langsam schmeckt das Bier.

 

 

 

Die bisherige Diagnose ist noch unzureichend:

 

„Ja. Sie haben was. Wir warten noch auf die Histologie und am 05.05. kommen sie dann zu uns und wir besprechen das weitere Vorgehen.“

 

Ich nerve die junge Assistenzärztin, die eben Wochenenddienst hatte, nicht weiter und warte nun ab bis zum 5ten Mai.

 

Bestrahlung oder OP, mehr konnte sie nicht sagen.

 

Egal was, ich werde mitmachen.

 

Es ist noch nicht vorbei!

 

 

 

Bisher habe ich dem Krebs schon so oft und so lange den Mittelfinger gezeigt – hey! Ich habe schon gewonnen! Verpiss dich, du Arsch!
Ich bin stärker!
Und ich habe immer noch meine Freunde und Freundinnen und vor allem meine Frau!
Du hast keine Chance!

 

Auch wenn ich müde bin…

 

 

 

Vielleicht kann ich morgen schon den Klassenerhalt des VfL Bochum feiern. Das wäre was! Und bedeutet mir extrem viel.

 

 

 

Immerhin: Durch die OP ist mein Gehör wieder besser. Und ich höre gerade die „skinty fia“ von den Fontaines D.C.
Wow!
Geile Scheibe!
Wird mich durch die Krebsscheiße begleiten und wenigstens ab und zu tanzen lassen.

 

Allerdings mussten wir unsere Konzertkarten für die Whispering Sons am Montag verschenken.
No Chance.

 

Und das Pearl Jam Konzert Ende Juni?
Wir haben die Karten seit über zwei Jahren und dann kam Corona und zwei Verschiebungen und jetzt meine Krebs-Scheiße. Ich befürchte, ich werde es nicht schaffen.

 

Schaffe ich es bis zum Porcupine Tree Konzert im November?

 

 

 

Ich habe gerade meine Schwiegermutter umarmt. Ernsthaft. Passiert selten. Aber sie signalisierte ganz klar, dass sie mich vermisst hat und froh ist, dass ich da bin. Scheiß auf Alzheimer: Das war glaubwürdig. Und ich weiß nicht, ob ich das verdient habe.

 

 

 

Gleich geht es ins Bett.

 

Meine Knochen tuen weh, eben Post-OP.

 

Meine Gedanken rotieren.

 

Dieser Blog-Eintrag ist meine Form der Therapie.

 

 

 

Morgen zählt nur der VfL Bochum.
Wir können den Klassenerhalt schon frühzeitig und mit einer bisher grandiosen Leistung klarmachen.
Selbst wenn das morgen daneben geht kann eigentlich kaum was anbrennen.
Einfach geil!

 

 

 

Und morgen ist noch ein Bier- und Abschalttag.

 

Ab Montag mache ich eine Patientenverfügung, eine Fürsorgeverfügung für meine Frau.
Und ich ordne alle meine Verträge, Versicherungen, Konten und all den scheiß Kram, damit Claudia damit klarkommt.

 

Ist zum Glück nicht viel und keine Kredite oder sonstiger Scheiß.

 

Danach erkläre ich ihr den Compi, das wird anstrengender.

 

Und wie sie im Ernstfall meine Homepage und Facebook abschaltet.

 

Wird Zeit, dass all das sicher ist.

 

 

 

Egal was passiert:

 

Ich will noch mindestens ein Buch schreiben.

 

Ideen und Fragmente sind vorhanden, zwei Verlage habe ich eh schon seit einem Jahr vertröstet und Rodney (RUP) würde bei einem fertigen Werk an erster Stelle stehen.

 

Ich werde wieder anfangen zu arbeiten.
So wie ich es bei „Ausgehöhlt“ gemacht habe und wie es sich auch bewährt hat.

 

Noch ein Buch.
Und dann noch eins.
Und vielleicht mal n ganz anderes…

 

 

 

 

 

Nicht heute

 

und auch nicht morgen

 

oder übermorgen

 

 

 

Jetzt noch den kommenden Frühling

 

und dann den Sommer

 

(und dann noch n paar Jahre

 

und noch n paar Jahre mehr)

 

 

 

Diese Endlichkeit ist nun mal Fakt

 

und ganz okay

 

Unendlicher Verfall ist eindeutig zu lange

 

und langweilig

 

Irgendwann ist halt Schicht

 

und

 

das ist gut so

 

 

 

Aber nicht heute

 

oder morgen

 

 

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Sarah Scherbenske (Sonntag, 24 April 2022 20:49)

    Hermann ich bin mir ganz sicher das Du das wieder schaffst. Wir werden immer für Euch da sein. Fühlt Euch gedrückt, es wird ganz bestimmt alles gut.

  • #2

    Helmut aus Wien (Dienstag, 26 April 2022 22:44)

    Alles Wort für Wort gelesen und verstanden. Mach weiter so - ich wünsche Dir und uns noch ein paar Bücher von Dir! Ich drück Dir die Daumen, dass Du bald wieder raus bist aus der Klinik, sei es auch noch so schön dort. Zu Hause ist es schöner, aber wem sag ich das? Mach’s gut! Ich denk an Dich!