Dushkas vorletzte Reise

Leben ist endlich und wir müssen es gerade wieder schmerzlichst mit unserer Dushka durchmachen.

 

Vor ca. 3 Monaten fing das an.

Alterserscheinungen:

Sie wurde langsamer, die Spaziergänge dauerten länger (und wurden dann vom Weg etwas verkürzt), sie zog sich öfters zurück und wir hatten das Gefühl, das die Orientierung nachließ.

Vor einem Monat dann beschlossen wir, unsere Tierärztin hinzuzuziehen. Es wurde schlimmer und sie verlor deutlich an Gewicht.

Sie bekam Schmerzmittel gegen ihre Arthrose, die auch anfangs Wirkung zeigten.

Wir waren optimistisch.

Vor zwei Wochen verschlechterte sich der Zustand dann zusehend weiter.

Ihre Hinterläufe brachen immer öfter ein, sie zitterte und atmete unruhig, fraß weniger und nahm deutlich ab. Auch ein stärkeres Schmerzmittel brachte keine Linderung.

Die letzte Woche war der Horror. Wir machten die letzten drei Tage einen Ärztedurchmarsch, um auch andere Meinungen zu hören. Der erste Arzt sagte nur, für so einen schweren Fall hätte er keine Kapazität, entweder in eine Klinik einweisen oder einschläfern. Unsere Tierärztin bestätigte das in etwa, machte uns aber noch Hoffnung und empfahl uns eine Tierklinik, zu der wir sofort fuhren.

Dort wurde Dushka freundlich empfangen und gestreichelt, die Tierärztin nahm sich Zeit und machte uns letztendlich Hoffnung:

Die neurologischen Störungen sind vorhanden, Dushka hat einen schweren Herzklappenfehler und natürlich ihre Arthrose, Tumor(e) oder einen Schlaganfall kann sie nicht ausschließen, aber wenn wir es schaffen, dass sie wieder trinkt und isst, dann kann man das unter Umständen stabilisieren.

Bis kommenden Dienstag sollen wir es probieren, dann wäre das Blutbild aus dem Labor da und wir wären vielleicht schlauer. Zwei Spritzen, Cortison, hochkalorische Zusatznahrung und eine neue Medikation.

Hoffnung.

Dushka hat gestern gut getrunken, ihr Fressen nahm sie nicht aus dem Napf aber wir konnten sie per Hand füttern. Früher wollte sie nie an der Leine laufen, jetzt gibt die Leine ihr selbst in dem Haus Sicherheit. Und wir tragen sie in den Garten und kurzzeitig scheint sie es dort zu genießen, auch wenn sie im Schnee immer wieder strauchelt und zusammenbricht.

Sie kann kaum noch sehen, hat aber Pupillenreflex, ihre Umgebung nimmt sie kaum noch wahr, auch das Gehör scheint hinüber…

Es ist uns völlig egal, ob sie auch im Haus unter sich lässt. Das kann man wegputzen. Uns ist es völlig egal, ob sie per Hand gefüttert werden muss, Hauptsache, sie frisst.

Sie soll nicht leiden. Und solange das gewährleistet ist bleibt sie bei uns.

Leider können wir das aber nicht gewährleisten, müssen auf unsere Beobachtung und unsere Gefühle zurückgreifen.

Und das ist eine schwierige Achterbahnfahrt.

Wenn sie zitternd vor die Wand starrt, dann denken wir, dass es keinen Sinn mehr macht und sie erlöst werden muss. Wenn sie sich aufrappelt, weil sie merkt, dass ich mit Aron spazieren gehe und mitwill, dann denken wir, dass sie es ja vielleicht doch schafft. Und sogar eines Tages wieder kurze Spaziergänge mitmachen kann.

Heute hat sie gut gefressen und wir nahmen uns freudig in den Arm. Zwei Stunden später kotzte sie die Nahrung unverdaut wieder aus. Und unsere Herzen schmerzten.

Jetzt liegt sie erschöpft neben meinem Schreibtisch, hört David Bowie und atmet ruhig.

Auf unser Streicheln reagiert sie unterschiedlich. Teilweise genießt sie und will spürbar mehr, teilweise erkennt sie uns nicht und will auf keinen Fall gestört werden.

Es ist Dushkas vorletzte Reise.

Keine Ahnung, wie lange die dauert. Aber sie ist nicht besonders angenehm.

Auf ihrer letzten Reise wird sie wieder zu Christine fahren. Und angekommen sein.

 

Dushka kommt ursprünglich aus Bulgarien. Dort wurde sie in einem fürchterlichen Zustand von Mariella von der Animal Hope Bulgarian Varna gerettet. Und kam dann zu Christine (und zu ihren Kindern und ihren Mann) nach Köln.

Unsere Freundin Christine erkrankte an einen ganz fiesen und unheilbaren Krebs und als sie meine Frau Claudia fragte, ob wir uns um Dushka kümmern würden gab es keine Überlegung: Natürlich.

Wir hatten zwar schon einen schwierigen Schäferhund-Mix Rüpelrüden und massig Befürchtungen, ob die beiden sich vertragen würden aber wir haben auch ein großes Haus mit einem großen Garten und zur Not würden wir halt die Hunde trennen und ebenso getrennte Spaziergänge machen.

Unsere Befürchtungen waren lächerlich: Aron beschützte und beschnüffelte Dushka von Anfang an, wenn es ihr zu viel wurde konnte sie sich wehren und beide kamen hervorragend miteinander aus.

Dushka gab Aron Freundschaft, obwohl sie selten seine Spielaufforderungen erwiderte. Er war ihr wohl zu impulsiv.

Dushka gab uns Wärme und viele wunderschöne Momente. Wir schafften es, dass sie sogar über Baumstämme hoppelte und über Felder rannte (am Anfang war sie sehr unfit, da sie wegen Christines Krankheit nur noch selten Auslauf außer im Garten hatte…).

Dushka gehört zu unserem Rudel. Für uns alle.
Von Aron übernahm sie das Bellen und die Jagd auf Tauben.
Ich bin ihr Liebling und sie liegt immer neben meinem Schreibtisch und teilt meinen Musikgeschmack.
Meine Frau Claudia und Dushka schmusen stundenlang.
Und aus Solidarität hat sie sich jetzt die Demenz der Schwiegermutter ebenfalls eingefangen. Bloß, dass es bei ihr extrem schnell bergab geht.

Hochkalorische Zusatznahrung (bei Dushka Royal Canin, bei mir Fresubin) ist bei uns Alltag.

 

Ich merke, dass ich chaotischer schreibe.

So wie ich mich fühle.

Ich werde Dushka jetzt nochmal in den Garten tragen.

In zwei Tagen werden wir uns entscheiden.

Drückt uns die Daumen, dass wir das Richtige machen!

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Kommentare: 2
  • #1

    Silke Vogten (Montag, 15 Februar 2021 12:02)

    Ach lieber Hermann. Habe es gelesen. Ist alles so vertraut. Ich wünsch euch nur das Beste. Und drück euch fest die Daumen, dass sie sich wieder erholt. Auch das passiert manchmal.
    Viele liebe Grüße
    Silke

  • #2

    Björn (Montag, 15 Februar 2021 16:43)

    Ich bin in Gedanken bei Euch und Duschka. Sie hatte in ihren letzten Jahren ein tolles Zuhause. Jetzt geht ihre Reise weiter. Alles Liebe und Gute für Euch.