Mal wieder Musiklaberei

 

 

 

Bei einem Exklusiv-Konzert der eels hat mir Wim Wenders auf den Fuß getreten und Wolfgang Niedecken sich an der Theke vorgedrängelt.

 

Wim Wenders ist wirklich groß und schwer, er hat es nicht gemerkt.

 

Wolfgang Niedecken ist ein Arsch. Weil er sich vorgedrängelt hat. Hat er vielleicht gar nicht bewusst gemacht, sondern ist wegen seinem Promi-Bonus einfach früher drangenommen worden. Außerdem war das Konzert in Köln, also ein Heimspiel für Niedecken und für mich Feindesland. Trotzdem: Arsch bleibt Arsch.

 

Das Konzert der eels war übrigens richtig klasse.

 

 

 

Mit ca. fünf Jahren umarmte mich Johannes Heesters.

 

Unsere Familie machte Urlaub in Zandvoort und meine Eltern, die große Fans waren, entdeckten am Strand den Heesters. Und der stellte sich für ein Foto mit meiner Schwester und mir, nahm mich dabei in den Arm.

 

Das Beweisfoto existiert.

 

Ich war dann ca. zwanzig Jahre traumatisiert bis mich Iggy Pop erlöste.

 

Bei einem wirklich grandiosen Iggy-Auftritt, ich glaub, es war in der Westfalenhalle, sprang er direkt neben mir ins Publikum und ich konnte gar nicht anders, ich musste ihn berühren.

 

An der Schulter.

 

Ich erinnere mich genau. Die Schulter war nass.

 

 

 

Ich hab es ansonsten nicht so mit dem direkten Kontakt zu Stars, Helden und GöttInnen. Ich wäre auch viel zu schüchtern, um ein Wort rauszubekommen.
Und ich gönne auch den Großen ihre Privatsphäre.

 

So würde ich auch nie Autogramme sammeln, ich besitze nur eines und das ist von Franz-Josef Tenhagen, den wohl kaum noch einer kennt (Bochumer Fußballgenie).

 

Ich verehre meine GöttInnen indem ich ihre Musik laut auf dem Plattendreher höre und dabei tippe.

 

Ich weiß nicht mehr, wie viele Konzerte ich erleben durfte. Es dürften so um die 300 sein, wenn nicht sogar mehr. Mittlerweile reduziert sich das extrem weil mein Körper nicht mehr mitspielt. Aber ab meinem vierzehnten Lebensjahr waren es fast monatliche Highlights meines Lebens.

 

 

 

Let’s talk about Tapes.

 

Damals war der Finger oft auf der Pause Taste des Tapedecks. Und ich nahm aus dem Radio Songs auf. Und ärgerte mich, wenn der Moderator in die Schlusssequenzen des Songs laberte.

 

Oder die zusammengestellten Mix-Tapes. Dramaturgische Abfolge gewählt, Lautstärke versucht anzupassen und mit Taschenrechner und Stoppuhr versucht, auf jeder Seite genau 45 Minuten aufzunehmen.

 

Und danach dann noch ne Cover-Gestaltung.

 

Mix-Tapes waren Kunstwerke und Unikate. Ein Tape zu erstellen dauerte Tage, manchmal Wochen.

 

Und irgendwann riss die Kassette oder leierte nur noch.

 

 

 

Heutzutage wird gestreamt.

 

Mix-Tapes oder Mix-CDs sind out.

 

Und es ist ja alles so verdammt einfach geworden.

 

Ja. Es ist einfacher geworden.

 

Nein. Die Musik ist deshalb nicht schlechter, es gibt noch große Sachen.

 

Die Magie und die Poesie und das Herzblut bleiben ein wenig auf der Strecke, aber die Musik kann man nicht töten.

 

Und der Rock ist noch lange nicht tot.

 

 

 

Ich bin ein alter, kranker Sack. Und entwickle immer mehr Nostalgiefeelings und ne Form von Konservatismus (nicht politisch!).

 

Auch ich streame oder bleibe bei YouTube hängen, aber meine Leidenschaft ist das Vinyl.

 

Musik, die mich begeistert, will ich persönlich haben.

 

Mittlerweile nur noch selten auf CD, aber entweder in meiner iTunes Sammlung oder eben am liebsten auf Vinyl.

 

Da bleibe ich eben Jäger und Sammler.

 

 

 

Seit meinem Krebs, der OP und dem Leben danach und damit habe ich zig Krebs-Compilations erstellt. Zuerst Mix-CDs und später dann Playlists.

 

Mache ich heute immer noch.

 

Fast immer dabei: „Lass mi amoi no d Sun aufgehn sehn“ von Georg Danzer.

 

Der einzige Song, den ich immer noch covern und irgendwie live präsentieren möchte. Trotz meiner kaputten Artikulation.

 

Vielleicht mache ich das bald einfach mal, es juckt in den Fingern und in meinen Hirnwendungen.

 

Und zu verlieren habe ich eh nix…

 

 

 

Während ich all den Scheiß hier tippe höre ich Joe Henry: The Gospel According to Water.

 

Joe Henry bekam vor über einem Jahr die fürchterliche Diagnose eines bösartigen Prostatakrebs. Nach der Prognose dürfte er nicht mehr leben.

 

Macht er aber.

 

So do I, seit über zwölf Jahren.

 

Seine neue Platte ist wunderschön.

 

 

 

Ich bastele keine Mix-Tapes mehr, erstelle keine Mix-CDs, bastele höchstens noch persönliche Playlists.

 

The times they are a changing.

 

Immerhin hat mich Iggy Pop von meinem Johannes Heesters Fluch erlöst.

 

 

 

Und im Jenseits werde ich Rio Reiser, Georg Danzer, Leonard Cohen und Jim Morrison treffen. Ohne Star-Allüren, einfach so.

 

Dann wäre ich im Himmel…

 

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen (Samstag, 30 November 2019 14:39)

    Ich habe gerade überlegt, welche berühmten Persönlichkeiten ich in meinem Leben berührt habe.
    Eingefallen sind mir nur drei:
    Helmut Hattler (deutsche Basslegende) bei einem Konzert in Castrop-Rauxel Habinghorst.
    Peter Hammill (auch schon eine lebende Legende), letztes Jahr im Piano in Lütgendortmund. Bei der gelegenheit hat er mir eine rare CD-Box signiert.
    Christoph Wackernagel (Ex-Terrorist, Schauspieler, Schriftsteller, Lebenskünstler)
    Mein ehemaliger Nachbar Johannes war mit ihm befreundetund dadurch bin ich ihm öfter mal begegnet.Bei Johannes zu Hause und in seinem Rewemarkt in Bochum Langendreer.
    Mehr fällt mir gerade nicht ein.
    Ich fände es spannend, wenn andere hier auch ihre "prominenten" Berührungen mitteilen würden.
    Ach so, fast vergessen, HJ Borgerding (bei diversen Begegnungen)
    Free Hugs für alle.
    Jürgen