Momentane Feelings und Aussichten von der Krebsfront

Irgendwie fühle ich mich leistungstechnisch wie der VfL Bochum in seinem aktuellen Zustand:

 

Auf dem Niveau eines Fünftligisten in der unteren Tabellenhälfte.

 

Und da schon am Zittern.

 

 

 

Da nutzt es auch nichts, dass der FC St. Pauli ähnlich beschissen wie Bochum in die Saison startet und wenigstens Rot-Weiß Essen etwas Hoffnung macht:

 

Generell sieht es fußballmäßig beschissen aus.

 

 

 

Und bei mir:

 

Noch zwanzig Tage warten, bis zu einer hoffentlich klärenderen Krebsdiagnose.

 

Ich hänge bis dahin in der Luft und durchlebe mal wieder Achterbahnfahrten mit gelockerten Schrauben.

 

 

 

Meine für August festgeplante Buchveröffentlichung „Auf der Suche nach Poesie“ scheiterte, da der Verleger ohne Vorwarnung kurzentschlossen seinen Verlag auflöste.  

 

Vielleicht ist dies aber auch ein Glücksfall: Ich habe mit zwei anderen Verlagen Kontakt und plötzlich sind sogar mehrere Veröffentlichungen möglich.

 

Halt alles zeitlich verzögert.

 

„Mein Mittelfinger dem Krebs“ hat ja angeblich Kultstatus und ist seit Jahren vergriffen. Nun liegt mein Leseexemplar auf meinem Schreibtisch und ich werde es überarbeiten, neu eintippen und wahrscheinlich neu verlegen lassen.

 

Parallel werde ich an einem neuen Gedichtband arbeiten, auf der Festplatte / in der Cloud gibt es einiges an Material.

 

Und auch wenn es ein sperriges und schwieriges Projekt ist: „Auf der Suche nach Poesie“ wird erscheinen.

 

 

 

Da bin ich nicht wie der VfL Bochum: Ich will nicht absteigen, eher aufsteigen, auch wenn meine gesundheitliche Situation dem widerspricht.

 

 

 

Am liebsten hantiere ich momentan mit dem Vorschlaghammer und der Kettensäge im Garten.

 

Solange, bis ich all meine Gelenke und Muskeln schmerzlich spüre und beinahe zusammenbreche.

 

Meine geliebte Frau bremst mich da manchmal aus, fordert aber unbewusst dies auch, indem sie dann so nebenbei erwähnt, was sie noch alles anders haben möchte. Ihre „mal eben“-Aktionen sind harte Herausforderungen. Dies stellt sie oft erst im Nachhinein fest.

 

Aber ich liebe es, wenn ich herausgefordert werde, auch wenn ich leide.

 

Ich spüre, dass ich noch lebe.

 

Und bin stolz, wenn ich da etwas schaffe.

 

 

 

Zeitlich genau vor zwei Jahren (die Zeit vergeht!) hatte ich eine OP zur Wiederherstellung meines Unterkiefers. Das funktionierte halbwegs, auch wenn ich nicht ganz zufrieden bin.

 

Jetzt meldet sich das Monster Krebs zurück.

 

Wahrscheinlich halbwegs harmlos.

 

Trotzdem haut es mich um.

 

 

 

Ich bin müde und platt.

 

 

 

Aber ich will diese drei Bücher veröffentlichen.

 

Und danach noch neue Projekte starten.

 

Und ich will leben.

 

Mit meiner Frau, die momentan zu wenig Liebe von mir bekommt.

 

Mit unseren Hunden, die auch beide schon unterschiedliche Alterserscheinungen zeigen.

 

Mit meinen FreundInnen.

 

Und mit euch.

 

 

 

Nach der Tumordiagnose bin ich himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt.

 

Ich glaub, man nennt das auch manisch-depressiv.

 

Und meine Aktionen der letzten Zeit bestätigen das.

 

Ich habe dabei aber einen entscheidenden Vorteil: Ich kenne die Ursachen und Auslöser.

 

Und sehe es als logische Phase meiner Krebserkrankung.

 

Und werde wieder dagegen angehen können.

 

 

 

Fußballmetaphorisch bin ich wie der VfL Bochum, Rot-Weiß Essen und St. Pauli: Oft am Abgrund, aber nicht kaputtzukriegen.

 

 

 

Musikmetaphorisch habe ich die 27 schon sehr lange überlebt. Ich fange an zu rosten, okay. Aber ich brenne immer noch.

 

Für den Rock n Roll und Punk kann man nie zu alt sein.

 

 

 

Dummmetaphorisch bin ich im Herbst (körperlich Winter) angekommen.

 

Aber „der Herbst hat ja auch noch schöne Tage“.

 

 

 

Wäre ich böse und dumm könnte ich sagen, dass mir der Klimawandel und die politische Entwicklung am Arsch vorbeigeht:

 

Ich werde die Katastrophen nicht mehr erleben und habe keine Kinder.

 

Aber letzte Woche hatte ich meine Großnichte auf dem Arm.

 

Und das löste Glücksgefühle aus.

 

Und trotz allem: Ich glaube immer noch an die Menschheit.

 

Ist ja sonst nichts da.

 

Everyday for the future!

 

Gegen Rassismus und Faschismus und Neoliberalismus!

 

Und damit immer noch und immer wieder für meine große Utopie:

 

 

 

ANARCHIE IST MACHBAR!

 

 

 

Jetzt höre ich gerade XTC von meinem Plattendreher.

 

Ein Freund, den ich auch viel zu lange nicht gesehen habe, schickte mir „The English Settlement“ als Vinyl. Und die Scheibe ist geil.

 

Meine Frau guckt mit ihrer Mutter irgendeinen Scheiß in der Glotze und muss meine Schwiegermutter dann gleich ins Bett bringen. Leider läuft das selten stressfrei, heute werde ich sie begleiten. Alzheimer ist kein Zuckerschlecken.

 

 

 

Meine Frau Claudia und ich sind beide platt und dauermüde und fertig.

 

Aber wir geben nie auf.

 

Manchmal bekommen wir von ihrer Mutter ein positives Feedback und ein Danke. Viel zu selten. Viel zu oft ist es ein Machtkampf.

 

Demente Menschen, die Machtkämpfe führen sind nicht angenehm.

 

 

 

Tageshighlight: Schwiegermutter, die Hunde, Claudia und ich liefen eine Stunde durch „Barle“, einen Tannenwald in nächster Nähe. Und es war wunderschön. Dushka, unsere Hundeoma, war platt. Gisela, die Schwiegermutter auch. Aron hätte noch mehr gekonnt und gewollt, ebenso Claudia und ich.

 

Aber ein Rudel gehört halt zusammen.

 

 

 

Keine Sternschnuppen am Nachthimmel, obwohl angekündigt. Egal.

 

Die Hunde erledigten ihre Geschäfte und wahren zufrieden.

 

Und Claudia und ich gehen jetzt gleich ins Bett und werden schlafen.

 

 

 

You can’t be twenty

 

on sugarmountain

 

Und ich bin

 

Old 55

 

 

 

Aber eigentlich bin ich auch seit zwölf Jahren tot.

 

Und lebe immer noch.

 

 

 

Keine Ahnung. Wie immer.
Es geht weiter…

 

 

 

 

 

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